Reiseblog


Auf einer randvollen Fähre umparken, stelle ich mir recht spannend vor...

(10. Sept. 2017)

"Also sowas habe ich noch nie erlebt", sagt ein Herr im Pensionsalter vor mir, "seit 10 Jahren fahren wir nach Griechenland."  Nun ich auch nicht und ich kenne lange Warteschlangen nur von Flughäfen mit Pauschaltouristen. Ich bin nicht der einzige, der mit der ganzen Familie ansteht, die Kinder unter fünf solidarisieren sich sehr schnell und finden sich mit der Situation hervorragend ab.

Wie jeden Sommer, fahren wir nach Griechenland. Mit dem Auto und Fähre. Das Schiff ist bereits einen Teil der Ferien. 
Bald wird mir klar warum die Leute über den gesamten Raum anstehen. Weil die Angestellten hinter der Glasscheibe Ewigkeiten brauchen, um einzelne Passagiere abzufertigen. Wohl bemerkt, die Abfahrt der Fähre nach Griechenland wurde um fünf Stunden verschoben, von 17:30 auf 23:00 . (Und ja, korrekt, das sind fünfeinhalb, aber wen kümmert’s zu Beginn der Ferien).
Die Tickets habe ich eigentlich schon vom Reisebüro. Nun erhalte ich andere Tickets die genau gleich aussehen, aber noch keinen Kabinenschlüssel, (Karte) die müsse ich am Check-in im Schiff holen, erklärt mir die nette Dame hinter der Glasscheibe.

Ancona hat neben einem grossen Hafen auch eine historische und bemerkenswert schöne Altstadt. Andere historische Städte in Italien werden jeweils von Massen von lustigen nordeuropäischen Reisegruppen in der Glut der Sonne geflutet. Hier hat es heute neben vielen Einheimischen ca. 2000 Personen jeglicher Couleur, die sich an einem Sonntagabend die Zeit vertreiben und hoffen, dass sie am gleichen Tag noch nach Griechenland ausreisen können. 

Am Check-in-Orakel wurde für 20:30 die Ankunft der Fähre vorausgesagt. Und tatsächlich kommt im Abendrot um diese Zeit ein grosser Kahn im Hafen um die Ecke. Natürlich sind alle Reisewilligen mit Kind und Kegel zu diesem Zeitpunkt ordentlich aufgereiht am Dock, in der Hoffnung die Crew entlädt den Schiffsbauch in Rekordzeit und man könne nach ca. 30min die Fahrzeuge im Schiff verstauen.

 

Doch jetzt werden die Probleme offensichtlich. Zögerlich spuckt die Fähre Autos und Lastwagen aus. Die Crew steht mehr im Wege als zur Hilfe. Als diese Prozedur ca. 2h vor sich hin plätschert, kommt nochmals eine Herde italienischer Autos aus dem Schiff gefahren, deren Insassen wüste Beschimpfungen auf die Crew loslassen.

 

Ok, ich und alle anderen um mich herum fahren vielleicht mit der Familie in die Ferien. Aber die, die hier herausfahren, mussten nun zwei Stunden in der Schiffsgarage ausharren und haben nochmals fünfeinhalb Stunden Verspätung oben drauf. Es ist jetzt Sonntag Abend 22:30 und die müssen bestimmt noch nach Hause fahren, gerne nochmals fünfeinhalb Stunden und Morgen früh zur Arbeit! Ein gewisser Ärger ist hier durchaus nachvollziehbar. 

 

Vor dem Fussgängereingang der Fähre hat sich in der Zwischenzeit eine grosse Traube gebildet. Sobald die Passagierdecks geräumt und sauber sind, dürfen die Fussgänger (aus Erfahrung) an Board. Doch heute nicht. Drei Crewmitglieder versperren den Weg, um willkürlich den Zeitpunkt für den Einlass zu steuern.

 
Endlich darf ich im Schiff gemächlich parken. Auffallend sind die schönen Uniformen und Frisuren der Offiziere. Aber wohin geht es nun zur Schiffsrezeption? Schwer beladene Personen mit Gepäck, schlafenden Kinder oder Haustieren (oder alles zusammen) suchen die Decks nach dieser Rezeption ab. Man hilft sich gegenseitig in diversen Sprachen.

 

An der Rezeption gibt es keine Warteschlange und kein Orakel. Zwei tiefenentspannte Angestellte verteilten Kabinenschlüssel und Klopapier. Ich frage dann noch nach einem zweiten Kabinenschlüssel und kriege fünf, der fünfte nicht mal von unserer Kabine.

Kurz nach Mitternacht vibrieren die Schiffsmotoren und die mächtige Fähre pflügt sich ihren Weg nach Osten ins Mittelmeer. Ich gönne mir ein überraschend gut schmeckendes Hellenic Pils auf Deck im lauen Mittelmeerwind.

Jede Kabine hat ein eigenes Klo. Und auch nach zwei Versuchen merken meine verschlafenen Augen, dass über Nacht etwas passiert sein musste. Die Sauce im Klo läuft nicht mehr ab. Hochrechnungen zu folge würde die Angelegenheit nach zwei weitere Flusch-Versuchen bei leichtem Seegang sich in der Kabinennasszelle verteilen. Das wollte ich auf keinen Fall riskieren! 

An der Rezeption erkundigt sich ein Angestellter freundlich nach dem Wohlergehen meiner Familie und war über den misslichen Umstand der WC Spülung bereits Informiert. Der ganze Strang sei betroffen auch die Kabinen der Crew. Ein Techniker sei unterwegs und nach einer halben, max. einer Stunde, sei das Problem behoben.

 
Nach ca. drei Stunden frage ich kurz nach dem aktuellen Zustand der sanitären Anlagen. Denn ein weiterer Spülungsversuch auf eigene Faust wollte ich nicht wagen. Die Antwort war die gleiche.

Wie dem auch sei, über Lautsprecher wird in 5 Sprachen verkündet, dass im Self - Service Restaurant wegen der Verspätung nun jedes Menü nur 6 € kostet. (Das ist weniger als die Hälfte) Beim a la Carte Restaurant riecht es leicht nach Erbrochenem. Beim Self Service nicht, und dort gibt es die gleiche Warteschlange wie am Check-in einen Tag zu vor. Mit den gleichen Gesichtern. Nettes und unhektisches Personal fertigt die hungrigen Passagiere gemächlich ab.

Nach weiteren drei Stunden und nach dem aufsuchen von wenig appetitlichen öffentlichen Toiletten im Aussendeckbereich, aber so mehr aus Langeweile, fragte ich wieder nach der defekten, verstopften Klospühlung. So langsam wäre das schon wieder schön, so ein eigenes Klo, in der eigenen Kabine ohne Gestank und klebrigen Boden. Und mit einer Türe (auf dem öffentlichen WC ist eine kaputte Türe so zur Seite an die Wand gelehnt), besonders wenn die Nummer 2 ruft. (Geheimtipp: Bei den Pullman-Seats auf dem Deck 7 hat es fast keine Leute und öffentliche Toiletten die noch intakt sind)

 

 

 

Zurück auf dem Pooldeck. Männer mit Overalls mit der Aufschrift der Reederei, tragen permanent Putzgeräte herum und hie und da wischen sie etwas... Aber das Deck steht vor Dreck! Zusammen mit einem warmen Mittelmeerregen ergibt das auf dem Boden so eine Mischung aus weggeschwemmtem Abfall und Hundepipi der gemütlich die Flippflopps der Fahrgäste umschwemmt.

 

Jetzt ist plötzlich Aufbruchstimmung:

Auf Deck sind Familien, Pärchen und Italiener deren Sommerferien nicht Mitte August aufhören sondern erst dann beginnen. Es ist so eine Stimmung wie wenn der Schnellzug in eine Grossstadt einfährt und die Lautsprecher den nächsten Halt ansagen. Alle stehen auf und halten ihr Gepäck in der Hand, auch wenn es noch gut eine viertel Stunde bis zum Ziel dauert. Land ist schon Lange zu sehen, auf der Adriaroute ist aber meistens Steuerbord oder Backbord Land zu sehen. Jedoch nach dem x-ten Kaffee oder der gesamten Produktpalette der Gelatis an Bord, will ein jeder eigentlich nur noch ankommen.

Endlich ist der Hafen zu sehen. Für die Reisenden der ersten Destinationen wird nun die Anweisung verkündete, sich zu deren Fahrzeuge in die Garage zu begeben. Wobei das Schiff ist noch so einige Zeit unterwegs. Und haben die Rampen erst mal festen Grund erreicht, kann ich mir nicht vorstellen, dass in Nullkommanichts das Garagendeck geleert wird. Und hier kommt die Befürchtung vom Vorabend wieder hoch, was wenn die Fahrzeuge von der zweiten Destination vor den Autos stehen die hier raus wollen?

Die Crew machte beim einladen alles andere als den Eindruck, als wüssten sie welches Fahrzeug, wann und wo das Schiff wieder verlassen möchte.

 

Und so wurden noch mindestens 3 Fahrer in eindringlichem Ton ausgerufen, sie mögen doch umgehend ihr Auto verschieben. Auf einer randvollen Fähre umparken stelle ich mir noch recht spannend vor, aber irgendwie ging das...

Die Autobahn ruft und jeder tritt mit Vergnügen auf das Gaspedal so lange der Tank reicht und die Füsse riechen. 

 

 
Aber warum ist auf der Grimaldi-Minoanfähre der Service eigentlich ein einziger Witz? Billig ist das Ticket jedenfalls nicht! Die Crew ist so eine Mischung aus Fremdarbeiter mit unterirdischen Lohnkondition und Herren kurz vor der Pension die resigniert haben.

Ich werte es einerseits als stiller Streik der griechischen Mitarbeiter und Unerfahrenheit der andern.

 

Oder ganz einfach: Eine Kostenoptimierung per Excel aus der Teppichetage.

 

 

 


great destinations